Das Ende der Euphorie – Österreich-Ungarn im Winter 1914/15
Univ. Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner
20. November 2014, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs
Am 20.November referierte Univ. Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner im gut besuchten Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs über “Das Ende der Euphorie – Österreich-Ungarn im Winter 1914/15“. Der bekannte Historiker erklärte in seinem Vortrag, warum nach einer allgemeinen Kriegseuphorie im Juli 1914 schon nach wenigen Monaten, im Spätherbst dieses Jahres, eine weitgehende Ernüchterung in Österreich eingetreten war. Schuld an diesem Stimmungswechsel waren nach Ansicht des Vortragenden nicht nur fehlende militärische Erfolge, über die in der Presse ohnehin nur sehr subjektiv berichtet wurde. Einen wesentlichen Faktor sieht Rauchensteiner vor allem in der schlechten Bewaffnung der Armee sowie in den zahlreichen unfähigen Führungskräften der Heeresleitung.
Die Bevölkerung merkte sehr rasch die einschneidenden Veränderungen, welche ihren Lebensstandard bereits in den ersten Monaten nach Kriegsbeginn stark eingeschränkt hatten. Durch das sofortige Inkrafttreten des Kriegsleistungsgesetzes 1912 konnten dessen strenge Bestimmungen durch ein Kriegsüberwachungsamt kompromisslos umgesetzt und nach dem Militärstrafrecht auch im Hinterland rigoros geahndet werden. Obwohl es bis 1915 noch keine Einschränkungen in der Lebensmittelversorgung gab, tauchten schon zu diesem Zeitpunkt immer mehr Nahrungsersatz- bzw. -zusatzstoffe auf. Auch sprach man bereits von einer „Hungerblockade“ durch die Entente. Die Eisenbahn stand für Privatreisen und Warentransporte kaum mehr zur Verfügung, weil sie fast ausschließlich für die Truppen- und Verpflegungstransporte benötigt wurde. Das Alltagsbild in Wien wurde immer von einer großen Zahl von Kriegsverletzten und Flüchtlingen, etwa aus Galizien, beherrscht. Allein im September 1914 kamen 140.000 Flüchtlinge in der Stadt an. Bald folgte eine weitere Million Menschen, die vor allem auf dem Gebiet des heutigen Österreich versorgt werden mussten. Die erste Kriegsanleihe wurde im November 1914 aufgelegt. Wegen notwendiger Waffenproduktionen herrschte ein großer Geldbedarf vor.
Im Anschluss an seinen Vortrag wurde Univ. Prof. Rauchensteiner von Präsident Dr. Fischer für seine 40jährige Vereinsmitgliedschaft geehrt.
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