Vortrag: Das Wiener Pflichtschulwesen von den Anfängen bis in die Gegenwart
Veranstaltung zum Themenschwerpunkt „Wiener Schulen – Geschichte, Quellen, Forschung“ in Kooperation mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv
Vortragender: Univ.-Doz. Dr. Andreas Weigl (Wiener Stadt- und Landesarchiv)
Moderation: Direktorin Dr.in Brigitte Rigele
16. November 2021, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs sowie Online-Raum
Am 16. November 2021 hielt Univ.-Doz. Dr. Andreas Weigl den in Kooperation mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv veranstalteten Eröffnungsvortrag des Themenschwerpunkts im Wien Geschichte Wiki „Wiener Schulen – Geschichte, Quellen, Forschung“ und beschäftigte sich dabei mit der „Geschichte der Wiener Pflichtschulen – von den Anfängen bis zur Gegenwart“.
Nach einer Einführung über das Schulwesen im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wien vor der „Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen“ vom 6. Dezember 1774 gab der Vortragende einen breiten Überblick über die Geschichte der Wiener Pflichtschulen bis in die Gegenwart. Behandelt wurden Lehrinhalte und Unterricht in der sechsjährigen Trivialschule, der Vorläuferin der Volksschule, in der älteren Hauptschule und in den Normalschulen.
Mit dem Reichsvolksschulgesetz 1869 wurde das interkonfessionelle Pflichtschulwesen in Volks- und Bürgerschulen installiert. Zu diesem Zeitpunkt nahm auch die Mädchenbildung einen Aufschwung. In den erhaltenen Schulchroniken spiegelt sich die Treue zu „Gott, Kaiser und Vaterland“ als weiterhin leitendes inhaltliches Prinzip.
Erst dank des Engagements von Otto Glöckel und anderen Reformern erhielt der Pflichtschulunterricht im „Roten Wien“ einen stärkeren Praxisbezug. Mit der Einführung der „Hauptschule“ 1927, die die ältere „Bürgerschule“ ersetzte, und Schulversuchen sollte die Durchlässigkeit des Bildungssystems verbessert werden, was nur sehr bedingt gelang, weil in vielen Arbeiterfamilien Heranwachsende möglichst rasch zum Haushaltseinkommen beitragen sollten. In dem Zwischenkriegszeit etablierten sich auch alternative Schulformen wie die Montessori-Schule.
Während der NS-Diktatur wurden rund 16.000 Schülerinnen und Schüler aus rassistischen, politischen und nationalistischen Gründen vom Unterricht ausgeschlossen, „ausgesondert“ und verfolgt.
Nach der Wiederherstellung des Schulwesens im demokratischen Staat kam es 1962 zu einem Reformkompromiss von SPÖ und ÖVP, in dessen Folge die Unterrichtspflicht auf neun Jahre ausgedehnt wurde. Durch die Bildungsrevolution ab den 1960er Jahren nahm der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die nach Abschluss der Volksschule in eine höhere Schule wechselten, laufend zu und überstieg in den 1980er Jahren erstmals die 50-Prozent-Marke. Im Zuge der Bemühungen um größere soziale Durchlässigkeit lösten ab 2012 nach und nach „Neue Mittelschulen“ Hauptschulen ab.
Der Vortrag wurde aufgezeichnet und kann auf unserem Youtube-Kanal angesehen werden: Vortrag: Das Wiener Pflichtschulwesen von den Anfängen bis in die Gegenwart
Bericht und Fotos: Alfred Paleczny
Zur Person
Univ.-Doz. MMag. Dr. Andreas Weigl, Mitarbeiter im Wiener Stadt- und Landesarchiv; Generalsekretär des Vereins für Geschichte der Stadt Wien; Redakteur der Wiener Geschichtsblätter; Studium der Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien (Mag. rersocoec. und Dr. rersocoec.) und Historiker (Mag. phil. und Univ.-Doz.); 2019 Victor-Adler-Staatspreis für Geschichte sozialer Bewegungen. Forschungsschwerpunkte: Demographie, Seuchen, Dreißigjähriger Krieg, Konsumgeschichte und Sozialgeschichte der Medizin
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