Vortrag: Grabdenkmal und Erinnerungskultur – Wiener Grabdenkmäler des 18. und 19. Jahrhunderts
Veranstaltung des Wiener Stadt- und Landesarchivs zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki „Wiener Friedhöfe. Vom Gottesacker zum Zentralfriedhof“ (in Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien)
Vortragender: Dr. Martin Engel (Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte)
28. November 2024, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Gasometer D, 11., Guglgasse 14 (4. Archivgeschoß; Zugang über Gasometer A und die Mall) sowie Online-Raum
Am 28. November 2024 spannte im Vortragsraum des Wiener Stadt- und Landesarchivs Dr. Martin Engel vom Institut für Kunstgeschichte an der Universität Wien einen breiten Bogen von den Grabdenkmälern des 16. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert. In der Renaissance präsentierte sich der Adel und die Elite oft mit aufwendigen Epitaphen oder Grabplatten mit Ganzkörperdarstellungen in Rüstungen und eindrucksvollen architektonischen Umrahmungen und figuralen Darstellungen, wo man Zusatzinformationen über ihr Leben erhielt. Als Beispiele zeigte er die Grabdenkmäler von Johannes Cuspinian im Stephansdom und von einigen Rittern in der Michaelerkirche. Im Barock und Rokoko findet man beispielsweise in der Kapuzinergruft einige Grabdenkmäler ebenfalls mit Ganzkörperdarstellungen oder Medaillen, die von Symbolen des Todes und zahlreichen Figuren umrahmt werden, die die Insignien ihrer Macht repräsentieren. Herausragend sind hier das gemeinsame Grabdenkmal von Maria Theresia und Franz Stephan sowie das Grabdenkmal von Karl VI.
Mit solch eindrucksvollen Grabmälern wollte man sich die Erinnerung der Nachwelt sichern und dies war auch bis zum Ende der Kaiserzeit ein weit verbreiteter Wunsch in der Wiener Gesellschaft. Mit der Anlage des Wiener Zentralfriedhofes begann eine neue Bestattungskultur, bei der sich das aufstrebende Großbürgertum ebenso wie der Adel auch nach dem Tod eindrucksvoll mit aufwendigen Grabdenkmälern präsentieren wollte und sie daher Elemente der vorangehenden Jahrhunderte bei ihren letzten Ruhestätten verwendeten. Wer es sich leisten konnte, sicherte sich noch zu Lebzeiten eine repräsentative Grabstelle in herausragender Lage, am besten bis in die Ewigkeit. Noch besser war es, ein Ehrengrab inmitten der bedeutendsten Musiker, Künstler, Wissenschaftler und Politiker zu bekommen. In ehrenwerter Nachbarschaft ruhte es sich allemal besser und die Kosten für Erhalt und Pflege trug die Stadt – bis auf Widerruf. Der Zentralfriedhof mit seinen vielen künstlerisch anspruchsvoll gestalteten Grabdenkmälern ist ein wichtiger Baustein dieser Wiener Erinnerungskultur.
Dr. Engel präsentierte dies anhand von Grabdenkmälern der alten Arkaden, wobei er Beispiele zeigte. Auch wie sich diese bisweilen in den letzten Jahren baulich veränderten (Eduard Haas) beziehungsweise sogar einen Wechsel der Bestatteten erlebten (statt dem Tresorproduzenten Franz Wertheim der 2012 verstorbene Schienenfahrzeugdesigner Johann Benda) führte er den Zuhörerinnen und Zuhörern vor Augen. Intensiv beschäftigte er sich mit den Assistenzfiguren und den unterschiedlichen Funktionen der Frauenfiguren auf den Gräbern der letzten Jahrzehnte der Monarchie.
Bericht: Alfred Paleczny
Foto 1 und 2: Alfred Paleczny, Foto 3: Martin Engel
Zur Person
Dr. Martin Engel ist Leiter der Abteilung Fotothek/Neue Medien am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: Architektur und Wiener Bildhauerei im 19. Jahrhundert.
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