Nachdem ein erster Versuch einer Musikgeschichte im Rahmen der „Geschichte der Stadt Wien“ durch Joseph Mantuani nur bis Maximilian I. geschrieben wurde, war es ein lange gehegtes Desiderat des Vereins für Geschichte der Stadt Wien, diese Lücke in der Stadtgeschichtsschreibung zu schließen.
Der nun vorliegende Band von „Wien. Musikgeschichte: von der Prähistorie bis in die Gegenwart“ fügt sich in das allgemeine Profil der Reihe „Geschichte der Stadt Wien“, also wissenschaftlich präzise gearbeitet, aber für einen interessierten, breiteren Leserkreis ebenso verständlich formuliert. Ziel war, die Musikgeschichte der Stadt in die allgemeine politische und Sozialgeschichte der Stadt einzubetten und den Leser nicht mit Details zu überschütten, sondern ihm durch das Aufzeigen von Entwicklungslinien ein Werkzeug zur Orientierung in der überreichen Musikgeschichte der Stadt in die Hand zu geben. Gerade in den Bereichen, in denen wir über reiches Quellenmaterial verfügten, wie der Zeit der Wiener Klassik oder dem 19. Jahrhundert, wurde auf die Strukturierung des Wissens großer Wert gelegt, auf eine Skizze großer Linien und Entwicklungen, ebenso in den Kapiteln zur musikalischen Topographie Wiens (dazu noch später) wie über die berühmten Interpreten, die das Musikleben der Stadt mit geprägt haben. Wichtig war uns in allen Kapiteln auch die Darstellung von Musik und Musikkultur dieser Stadt in ihren unterschiedlichen Ebenen und Räumen: also neben dem Hof, dem Stadtbürgertum und der Kirche wurde auch auf den Bereich der Ausbildung, des Handwerks (Musikdruck, Instrumentenbau) sowie dem Musikleben im „öffentlichen Raum“ den in unterschiedlichen Epochen zumindest ein kurzer Blick geworfen.
Die Gliederung des Buches ist im Wesentlichen ein chronologische:
- Wie beginnen zwar nicht bei Adam und Eva, aber in der Steinzeit bei den ersten Funden und ersten Nachweisen einer Besiedelung des Wiener Raumes (Martin Czernin).
- Wie in der Prähistorie muss man sich auch in der Zeit des römischen Wien (ebenfalls von Martin Czernin) auf sehr wenige Quellen stützen.
- Dichter wird die Quellenlage erst für das Mittelalter (auch aufgrund mehrerer von der Stadt Wien geförderte Forschungsprojekte, deren Ergebnisse Martin Czernin in das entsprechende Kapitel einfließen ließ – einiges ist hier erstmals publiziert,
- doch schon das Kapitel über den Beginn der Neuzeit (Elisabeth Fritz-Hilscher) hat gezeigt, dass es noch vieles zu erforschen gäbe.
- In seinem Abschnitt zum Barock präsentiert Herbert Seifert Wien als prächtige Residenzstadt, in der Handwerk ebenso blüht wie ein reiches Musikleben in Kirchen, Klöstern und durch Bruderschaften.
- Den Zeitraum der großen Umwälzungen zwischen circa 1740 und 1790/1800, der in der Musikgeschichte mit dem Schlagwort „Wiener Klassik“ jedoch nur einseitig definiert wird, der jedoch mit einem Erstarken des Bürgertums, einer Emanzipation des Hofadels im Verband mit Gattungen und Stilelementen das Musikleben der Stadt grundlegend wandelte (öffentliches Konzert, Oper und Theater) wird von Martin Eybl und Elisabeth Fritz-Hilscher beschrieben.
- Das 19. Jahrhundert, das sich durch die beiden Glanzzeiten (die so glänzend gar nicht waren) Biedermeier und franzisko- josephinischem Zeitalter definiert, ist wohl das Kapitel, das am reichsten an Material , wie Klischees und Anekdoten ist.
- Die Darstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts werden durch ein Kapitel zur Unterhaltungsmusik in Wien von Christian Glanz zwischen Operette und Austropop – um die beiden Eckpfeiler zu nennen – ergänzt.
- Ein Kapitel zur Musiktopographie – die in dieser Dichte wohl etwas typisch Wienerisches ist – von Helmut Kretschmer . Naturgemäß konnte bei der Fülle der verschiedensten Erinnerungsstätten aus der Welt der Musik im Hinblick auf den eingeschränkten Umfang dieses Kapitels keine lückenlose Musiktopographie Wiens geboten werden, eine Selektion (die wohl immer auch subjektive Züge trägt) war erforderlich.
- Ein umfangreicher Essay von Clemens Höslinger zu den Interpreten, die in Wien gewirkt haben und zu denen seit je her die Wiener ein ganz besonderes Verhältnis entwickelten (und entwickeln) schließt das Buch ab.
Zum Einband: Dieser sollte nicht vielfach publiziertes wiedergeben, schon gar nicht auf Klischees verweisen. Als „Glücksgriff“ erwies sich eine Mappe im Wien Museum, dem an dieser Stelle für die Hilfsbereitschaft herzlich gedankt sei, mit den Materialien zur Hofoper am Ring, die auch Entwürfe zur Innengestaltung enthält. Wir haben uns schließlich für einen Ausschnitt aus dem Figaro-Zyklus von Eduard Engerth für den Kaisersaal der Hofoper entschieden, der dem Bombardement 1945 zum Opfer gefallen ist. Nun darf ein kleiner Teil von Engerths wunderbarem Werk „unsere“ Musikgeschichte Wiens umhüllen und somit für eine breitere öffentlichkeit wieder sichtbar werden.