Die Versorgung Wiens 1829-1913 (Buchpräsentation)
Dipl.-Ing. Mag. Friedrich Hauer
6. März 2015, St.-Johannes-Nepomuk-Kapelle am Währinger Gürtel
Der Verein für Geschichte der Stadt Wien hat die Bände seiner Schriftenreihe „Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte“ zwar schon öfter in der Nähe des „Tatortes des Geschehens“, aber wahrscheinlich noch nie in einem so originellen Rahmen dargestellt wie am 6. März 2015. Das AutorInnen-Team um Friedrich Hauer präsentierte den Band 59 dieser Reihe „Die Versorgung Wiens 1829–1913 – Neue Forschungsergebnisse auf Grundlage der Wiener Verzehrungssteuer“ nämlich in der St.-Johannes-Nepomuk-Kapelle am Währinger Gürtel, die bis auf den letzten Platz gefüllt war. Dieser Ort wurde gewählt, weil die Kapelle von Otto Wagner als Nachfolgebau einer Kapelle neben der Währinger Linie errichtet wurde, wie Gastgeber Monsignore Dr. Werner Reiss in seiner Begrüßung berichtete. Die Währinger Linie war ein Teil des Linienwalls, an dem bis zur Stadterweiterung 1891 die Verzehrungssteuer eingehoben wurde, die im Mittelpunkt des vorgestellten Buches steht.
Friedrich Hauer erläuterte nach einer Einleitung durch den Präsidenten des Vereins, Dr. Karl Fischer, dass die Verzehrungssteuerdaten trotz einiger Lücken einen konsistenten Datensatz über den städtischen Verbrauch Wiens an Lebens- und Futtermittel, Baumaterialien und Brennstoffen darstellen, die zu weit über 90 Prozent in die Residenzstadt eingeführt wurden. Es folgten drei Referate der AutorInnen Till Uschmann, Jonas Albrecht und Sylvia Gierlinger über den Fleisch- und Alkoholika-Konsum der Wiener sowie über die landwirtschaftliche Produktion im Wiener Stadtgebiet. Schließlich fasste Dr. Andreas Weigl den Einfluss geänderter Ernährungsgewohnheiten auf den „biologischen“ Wohlstand der Wiener Bevölkerung im 19. und 20. Jahrhundert zusammen. Fleisch, insbesondere Rindfleisch, galt immer als Wohlstandsindikator und wurde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in größeren Mengen gegessen als in vergleichbaren europäischen Städten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt dies aber nur mehr für die Ober- und Mittelschicht, weniger für die zugewanderten Arbeitermassen, die an einem spürbaren Ernährungsdefizit litten. Hingegen wurde in Wien in allen Schichten bis 1913 sehr viel Bier konsumiert, und zwar um eine Vielfaches mehr als 1830, während der Weinkonsum in diesem Zeitraum stagnierte.
Die lange Diskussion am Ende der Veranstaltung zeigte deutlich, dass diese erstmalige Analyse der Verzehrungssteuerdaten viele quantifizierbare Aussagen über den Konsum in Wien zwischen 1830 und dem Ersten Weltkrieg erlaubt und eine Fundgrube für weitere Studien darstellt.
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