Festvortrag: Von Dienstbotinnen zu Hausgehilfinnen. Auseinandersetzungen um den häuslichen Dienst (1880–1938)
Vortragende: Dr.in Jessica Richter (Institut für Geschichte des ländlichen Raumes)
Moderation: Mag.a Elisabeth Rosner
19. März 2025, 19:00, Volkshalle des Wiener Rathauses (Zugang über 1., Lichtenfelsgasse 2)
Im Festvortrag nach der Vollversammlung des Vereins für Geschichte der Stadt Wien am 19.März 2025 beschäftigte sich Dr.in Jessica Richter vom Institut für Geschichte des ländlichen Raumes mit dem Thema „Von Dienstbotinnen zu Hausgehilfinnen. Auseinandersetzungen um den häuslichen Dienst (1880–1938)“.
Mit der Entwicklung der Sozialstaaten, neuer arbeitsrechtlicher Regelungen oder von Behörden der Arbeitsmarktverwaltung waren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts tiefgreifende Veränderungen von Arbeit verbunden. Diese erfassten auch den häuslichen Dienst, in Österreich die häufigste Erwerbstätigkeit von Frauen. Aber wie der Dienst eingeordnet, geregelt und praktiziert werden sollte, blieb umstritten. Hausgehilfinnen lebten mit den Dienstgeberinnen und Dienstgebern unter einem Dach. Sollten sie daher als untergeordnete Mitglieder des Haushalts, als Teil der Familie oder als Arbeiterinnen gelten?
Diese Frage beschäftigte Parlamente, Behörden, Interessenorganisationen und Vereine – und nicht zuletzt Hausgehilfinnen und Dienstgeberinnen und Dienstgeber selbst. Sie war Gegenstand öffentlicher Debatten, lag Kämpfen für (oder gegen) verbriefte soziale Rechte des Hauspersonals zugrunde und wirkte bis ins alltägliche Leben und Wirtschaften im fremden Hause hinein.
Dr.in Richter ging auf derlei Auseinandersetzungen in Österreich von etwa 1880 bis 1938 aus unterschiedlichen Perspektiven ein und konzentrierte sich insbesondere auf Wien, wo ungefähr die Hälfte des Hauspersonals tätig war. Sie schilderte die Veränderungen des häuslichen Diensts in dieser Zeit und arbeitete heraus, wie Hausgehilfinnen und andere Arbeitskräfte zueinander ins Verhältnis gesetzt wurden. Schließlich berichtete sie, dass in der Zwischenkriegszeit Hausgehilfinnen rechtlich erstmals als Arbeitskräfte verstanden wurden – allerdings als Arbeitskräfte der besonderen Art. Dies war Ausdruck einer Geschlechterpolitik, die Frauen die Versprechen regulärer Beschäftigung verweigerte.
Zur Person
Dr.in Jessica Richter studierte Sozialwissenschaften und European Regional Development in Hannover und Cardiff; 2017 Promotion im Fach Geschichte an der Universität Wien: Dissertation „Die Produktion besonderer Arbeitskräfte. Auseinandersetzungen um den häuslichen Dienst in Österreich (1880-1938)“. Derzeit forscht sie zu (Geschlechter-)Geschichte von Arbeit, Migration und Haushalten am Institut für Geschichte des ländlichen Raumes in St. Pölten und leitet die Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien.
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