Führung: Die Nekropole des 19. Jahrhunderts – der Wiener Zentralfriedhof
Veranstaltung des Wiener Stadt- und Landesarchivs zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki „Wiener Friedhöfe. Vom Gottesacker zum Zentralfriedhof“ (in Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien)
Führung: Dipl.-Ing. Georg Gaugusch (Heraldisch-Genealogische Gesellschaft Adler)
24. Oktober 2024, 15:00, 11., Simmeringer Hauptstraße 234 (Zentralfriedhof, Tor 2)
Im Rahmen dieses Themenschwerpunkts im Wien Geschichte Wiki führte der wahrscheinlich beste Kenner der Gräberanlagen des Zentralfriedhofes, Dipl.-Ing. Georg Gaugusch von der Heraldisch-Genealogische Gesellschaft Adler, am 24. Oktober 2024 fast 30 Mitglieder des Vereins für Geschichte der Stadt Wien durch diese Anlage. Sie umfasst fast zweieinhalb Quadratkilometern und rund 330.000 Grabstellen, womit sie der drittgrößte Friedhof in Europa ist.
Am 24. November 1863 wurde im Gemeinderat der Bau auf Kommunalkosten beschlossen, womit die alleinige Friedhofszuständigkeit der Kirche beseitigt wurde. Die Wahl eines geeigneten Terrains erhitzte jedoch die Gemüter des Gemeinderats durch Jahre hindurch, sodass erst Ende 1866 die Entscheidung zum Erwerb eines Teiles der Viehweideplätze des Brauereibesitzers Anton Dreher getroffen wurde. Cajetan Felder war damals Bürgermeister und als Vormund des noch minderjährigeren jüngeren Drehers auch Verwalter von dessen Liegenschaftsbesitz, womit er praktisch Käufer und Verkäufer in einer Person war. Weitere vier Jahre später, Ende 1870 erfolgte eine Wettbewerbsausschreibung für den neuen Friedhof, den Alfred Friedrich Bluntschli und Karl Jonas Mylius im Mai 1871 für sich entscheiden konnten.
Da der Zentralfriedhof von Beginn an als interkonfessioneller Friedhof geplant war, gab es vonseiten der katholischen Kirche Widerstände, die sich ausweiteten, als die Stadt ankündigte, keine offizielle katholische Eröffnung für den Friedhof zu wollen. Die Einigung sah schließlich eine kleine Eröffnungszeremonie des Zentralfriedhofs durch katholische Vertreter vor, die am frühen Morgen des 31. Oktober 1874 durch Bürgermeister Cajetan Felder und Kardinal Joseph Othmar Rauscher abgehalten wurde.
Dipl.-Ing. Gaugusch erläuterte das architektonische Konzept der Anlage, das im weiteren Sinn der Anlage vor dem römischen Petersdom nachempfunden ist. Er bedauerte aber, dass dieses Konzept immer mehr verloren geht und von der ursprünglichen Anlage nur mehr Teile vorhanden sind wie zum Beispiel in Gruppe 21. Damals gab es eine neue Begräbnisphilosophie, nach der sich die Bedeutung des Verstorbenen auf den Standort des Grabes beziehungsweise der Gruft und auf die Gestaltung des Grabdenkmals auswirken musste. Man war auch bestrebt, Gräber von Verwandten möglichst nebeneinander zu legen und so wurden auch Verstorbene von Ortsfriedhöfen auf dem Zentralfriedhof gebracht und in den neuen Gräber ihrer später verstorbenen Angehörigen bestattet. Beispiel sind in den Arkaden die Gräber der Familie Mautner Markhof, wo vier verwandte Familien nebeneinander in Grüften gemeinsam mit bereits zuvor bestatteten Verstorbenen liegen. Viele Menschen wurden aber nach wie vor in Schachtgräbern bestattet.
Dipl.-Ing. Gaugusch zeigte eine Reihe von besonders interessanten Gräbern im Bereich des 2. Tores und führte die Teilnehmer abschließend auch durch die Zeremonienallee des jüdischen Friedhofs bei Tor 1.
Bericht und Fotos: Alfred Paleczny
Zur Person
Dipl.-Ing. Georg Gaugusch, Studium der Chemie an der TU Wien, Geschäftsführer des Kleidermachers und Manufakturwarenhändlers Wilhelm Jungmann & Neffe in Wien; Vorstandsmitglied und Mitarbeiter der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft ADLER in Wien. Forschungen zum jüdischen Großbürgertum Mitteleuropas im 19. und frühen 20. Jahrhundert und zur Genealogie der rund 500 jüdischen Familien in diesem Raum. Zahlreiche Publikationen: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938. A–K (2011), Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938. L-R (2016) und Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938. U-Z (2023).
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