Führung: Unser Mittelalter! Die erste jüdische Gemeinde in Wien
Führung: Mag.a Adina Seeger, Dr. Domagoj Akrap (Jüdisches Museum Wien)
10. November 2022, 16:30, Museum Judenplatz, 1., Judenplatz 8
Am 10. und 21. November 2002 führten Mag.a Adina Seeger und Dr. Domagoj Akrap vom Jüdisches Museum Wien durch das Jüdische Museum am Judenplatz.
Die Führung fand in den Räumen unter dem Haus Judenplatz 8 und dem westlichen Teil des Judenplatzes statt, wo es einerseits einen Schauraum zum mittelalterlichen Wien, insbesondere zur Entwicklung der Judengemeinde, und andererseits die Ausgrabungen der Synagoge dieser Zeit gibt.
Zwischen der Ankunft von Schlom, den Herzog Leopold V. am Ende des 12. Jahrhunderts als Münzmeister nach Wien geholt hatte, und der gewaltsamen, brutalen Vertreibung der Juden unter Herzog Albrecht V. in den Jahren 1420/1421 entwickelte sich Wien zu einem Zentrum jüdischen Wissens, in dem bedeutende Rabbiner tätig waren. Außerdem waren Juden wichtige Financiers der Babenberger. Frau Mag.a Seeger und Herr Dr. Akrap schilderten diese Judenstadt aus verschiedenen Perspektiven unter anderem anhand eines Modells von Wien im 15. Jahrhundert und anhand von Fundstücken sowie Dokumenten aus dieser Zeit. Sie befand sich zwischen dem Platz Am Hof und der Wipplingerstraße und im Zentrum befand sich eine prächtige Synagoge, die nach 1421 zerstört wurde. Platz und Synagoge rückten erst in den 1990er Jahren – im Zusammenhang mit der Errichtung des Mahnmals für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah – wieder ins Bewusstsein der Stadt und lenkten den Blick auch auf die in Wien nur wenig beachtete Epoche des Mittelalters. Künstlerische Beiträge, interaktive Angebote sowie Stationen auch für Kinder eröffnen dadurch neue Sichtweisen auf die Geschichte der ersten jüdischen Gemeinde in Wien.
Im zweiten Teil der Führung zeigten uns die beiden Führer die Reste der Synagoge, die zwischen 1995 und 1998 ausgegraben und durch eine spektakuläre Senkung der 55 Tonnen schweren Bima, des Herzstückes des Gebäudes, um 1,5 Meter in einen geschlossenen Raum unter dem Straßenniveau zu besichtigen sind. Dazu wurde eine virtuelle Wand geschaffen, auf der in Lichtprojektionen das anhand vergleichbarer Synagogen angenommene Aussehen der Synagoge im Mittelalter und die Funktionen der noch sichtbaren Reste eindrucksvoll gezeigt werden.
Bericht und Fotos: Alfred Paleczny
Zur Person
Dr. Domagoj Akrap ist Judaist und Kurator. Seit Abschluss des Studiums der Judaistik und Slawistik an der Universität Wien (Promotion 2004) ist er als Bibliothekar und seit 2017 als Kurator am Jüdischen Museum Wien tätig. Lehrbeauftragter am Institut für Judaistik an der Universität Wien. Mehrere Arbeiten zu jüdischen Denkern, unter anderem die Monografie Erich Fromm – ein jüdischer Denker (Wien 2011). Forschungsschwerpunkte: Jüdische Geistes- und Kulturgeschichte mit Schwerpunkt jüdische Mystik und Kabbala, jüdisches Denken (insbesondere 20. Jahrhundert) sowie jüdische Buchgeschichte und hebräischer Buchdruck. 2018–2021 Co-Kurator der neuen Dauerausstellung im Museum Judenplatz.
Mag.a Adina Seeger ist Historikerin und Kuratorin. 2015–2019 als Assistenzkuratorin, seit 2019 als Kuratorin am Jüdischen Museum Wien tätig, 2018–2021 Projektkoordination und Co-Kuratierung der neuen Dauerausstellung im Museum Judenplatz; davor Mitarbeit in historischen Ausstellungs- und Forschungsprojekten, unter anderem an der Gedenkstätte Buchenwald. Publikationen unter anderem zur NS-Tätergeschichte und zur Geschichte des Bauhauses; seit 2016 Redaktionsmitglied der Zeitschrift zeitgeschichte. 2018 Förderungspreis der Stadt Wien für Volksbildung, gemeinsam mit Philipp Rohrbach für das Projekt Austrian Heritage Archive.