Vortrag: Burgtheater 1918 – Hoftheater für die Republik?
Veranstaltung des Wiener Stadt- und Landesarchivs zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki „Vorhang auf! Wiener Theater von den Anfängen bis in die Gegenwart“ in Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien
Vortragende: Dr.in Elisabeth Großegger (Österreichische Akademie der Wissenschaften)
1. Juni 2023, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs sowie Online-Raum
Am 1. Juni 2023 beschäftigte sich Dr.in Elisabeth Großegger von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit den für das Burgtheater spannenden zwei Jahren zwischen der Ausrufung der Republik im November 1918 und der endgültigen Übernahme des Hofärars und deren Aufgaben und Pflichten durch die Republik im Mai 1920. Ihre Ausführungen standen im Zusammenhang mit dem Projekt “Theater für die Republik? Das Burgtheater und seine Rolle für kulturelle Identitätsentwürfe in der Ersten Republik”, dessen Ergebnisse demnächst in einer Monographie erscheinen werden.
Mit der Ausrufung der Republik Österreich am 12. November 1918 änderte sich auch der Status der Hoftheater, wobei erst durch ein Gesetz im Oktober 1919 nach Abschluss der Friedensverträge von St. Germain der Rechtsstatus insoweit geregelt werden konnte, dass der Staat die Hoftheater als nunmehrige Nationaltheater weiterführen konnte. Nach Klärung der Eigentumsfrage bekannte sich der Staat zur kulturellen Vergangenheit dieser Theater und übernahm trotz der katastrophalen Budgetsituation die Kostendeckung, für die in der Monarchie der Kaiser zuständig war. Beginnend vom November 1918 bis zur endgültigen Regelung gab es einen überraschend demokratischen Meinungsbildungsprozess, an dem seitens der jungen Republik Staatsnotar Dr. Julius Sylvester, Direktor Albert Heine und der Burgtheater Ausschuss als Vertreter der Künstler (und ihrer Privilegien), aber auch die Öffentlichkeit (Presse und Privatiers) teilnahmen. So waren auch andere Konzepte von der Auflösung, Zusammenlegung mit anderen Bühnen bis zur Selbstverwaltung in Diskussion.
Aus dem k. u. k. Hof-Burgtheater wurde somit schlicht das Burgtheater – seine Aufgabe lag nun nicht mehr in der Repräsentation des Herrscherhauses und der plurikulturellen Monarchie, sondern musste neu definiert werden. Dies wurde auch durch die Bestellung von Adolf Vetter als von der Republik eingesetzten Präsidenten der Staatstheaterverwaltung untermauert.
Auf Basis der Akten des Staatsarchivs und der zeitgenössischen Feuilletonbeiträge in den Tageszeitungen untersuchte Frau Dr.in Großegger diesen Prozess und analysierte das Zusammenwirken dieser staatlichen und nicht-staatlichen Gremien, wobei an den verschiedensten Identitätsentwürfen die dem Theater zugeschriebene Rolle ebenso wie das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft ablesbar war.
Bericht und Fotos: Alfred Paleczny
Zur Person
Dr.in Elisabeth Großegger, Studium der Theaterwissenschaft und Romanistik an der Universität Wien, 1978–1981 Lehr- und Vortragstätigkeit an der University of Miami, USA, Seit 1982 wissenschaftliche Mitarbeiterin der ÖAW: des Instituts für Publikumsforschung, der Kommission für Theatergeschichte, seit 1999 der Kommission für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte und 2009-2021 Stellvertreterin des Direktors des nunmehrigen Instituts für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte. Forschungsschwerpunkte: Wiener Theatergeschichte und Festkultur des 18. bis 20. Jahrhunderts, Theateravantgarde, Burgtheater und Publikum, Prinz Eugen auf der Bühne.
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