Vortrag: „Ein Gebrauchsgegenstand mit künstlerischen Elementen“. Bemerkungen zur österreichischen Filmproduktion von den Anfängen bis in die Tonfilmzeit
Veranstaltung zum Themenschwerpunkt "Vom Lichtspieltheater zum Multiplex. Zur Geschichte des Kinos in Wien" im Wien Geschichte Wiki
Dr. Günter Krenn (Österreichisches Filmmuseum)
Moderation: Dr.in Brigitte Rigele
10. September 2020, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs (Gasometer D, 4. Archivgeschoss, 11., Guglgasse 14; Zugang über Gasometer A und die Mall)
Im Rahmen des Themenschwerpunkts „Vom Lichtspieltheater zum Multiplex. Zur Geschichte des Kinos in Wien“ im Wien Geschichte Wiki widmete sich am 10. September 2020 Mag. Günter Krenn vom Österreichischen Filmmuseum dem Thema „Ein Gebrauchsgegenstand mit künstlerischen Elementen“ und der österreichischen Filmproduktion von den Anfängen bis in die Tonfilmzeit. Es war der erste Vortrag nach der Covid 19-bedingten Unterbrechung der Vortragstätigkeit im Gasometer und fand unter eingeschränkten Bedingungen nach der heurigen Vollversammlung des Vereins für Geschichte der Stadt Wien statt. Es waren nur 20 Teilnehmer im Vortragsraum anwesend und der Vortrag wurde im Internet übertragen.
Herr Mag. Krenn berichtete auch anhand einiger Filmbespielen über die wenig bekannten Anfänge der Filmindustrie in Österreich, das sich dank internationaler Auszeichnungen für Filme von Michael Haneke und Ulrich Seidl gerne selbst als „Filmnation“ bezeichnet. Diese Anfänge bieten ein faszinierendes Kaleidoskop an Pioniergeist, Ambition, Meister- und Trivialwerken, ausgeführten und nur geplanten Projekten, die Bestandteil der Kulturgeschichte wurden.
Bald nachdem im März 1896 der Lumièresche Eisenbahnzug auf seiner Tour durch Europa auch dem neugierigen Wiener Publikum auf einer Leinwand entgegengerast war, hatte die Produktion „lebender Bilder“ auch Österreich erreicht. Umgehend begannen heimische Produktionsfirmen damit, die lokale Szenerie für das neue Medium zu konservieren und die ersten kurzen Spielfilme wurden auf Jahrmärkten, Panoptiken, Wanderkinos und dem ersten Kino in der Wiener Kärntner Straße gezeigt. Verfügten die erotischen Filme der Firma Saturn noch über eine marginale Dramaturgie, folgten bald besser ausgearbeitete Sujets mit renommierten Theaterleuten wie Alexander Girardi oder Max Neufeld, verfilmte Literatur („Die Ahnfrau“, „Der Pfarrer von Kirchfeld“) und, Mitte der 1920er Jahre, Monumentalstummfilme wie „Die Sklavenkönigin“ oder „Sodom und Gomorrha“, die Vergleiche mit italienischen und amerikanischen Vorbildern jener Zeit nicht scheuten. Firmen wie die Wiener Kunstfilm, die Sascha-Film des Grafen Alexander Kolowrat, die Vita- oder die Astoria-Film produzierten „Gebrauchsgegenstände mit künstlerischen Elementen“ für den heimischen und internationalen Markt.
Herr Mag. Krenn berichtete auch, wie der Film während des Ersten Weltkriegs für die ersten Kriegswochenschauen und für Propagandazwecke verwendet wurde, wie der Übergang von den Laiendarstellerinnen und Laiendarstellern zu den ersten Stars wie Asta Nielsen erfolgte und wie man schon früh versuchte, den Ton in die Filme einzubauen. So gab es Kombinationskinos, wo filmische Sequenzen von anwesenden Schauspielern sprachlich umgesetzt wurden, und Filme zum Beispiel von Alexander Girardi, die von einer parallel laufenden Schallplatte „vertont“ wurden.
Erst mit der dauerhaften Konservierbarkeit des synchronen Tons setzte die heimischen Filmproduktion Anfang der 1930er Jahre sofort darauf, diesen nicht nur zur dramaturgischen Abrundung der Handlung zu verwenden, sondern auch um Lieder, Schlager, aber auch Gesangseinlagen aus Operette und Oper auf die Leinwand zu bringen. So entstanden Kassenerfolge wie Willi Forsts „Leise flehen meine Lieder“ und „Maskerade“.
Begleitend zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki werden vom 2. März 2020 bis 24. September 2020 – nach Voranmeldung – Originaldokumente im Ausstellungsfoyer des Wiener Stadt- und Landesarchivs zu sehen sein.
(Bericht: Alfred Paleczny; Fotos: Susanne Claudine Pils)
Zur Person
Günter Krenn ist Mitarbeiter des Österreichischen Filmmuseums. Studium der Philosophie, sowie der Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien (1991 Promotion Dr. phil.). Nationale und internationale Tätigkeiten als Herausgeber, Kurator und Vortragender. Wissenschaftliche und literarische Veröffentlichungen, Herausgeber unter anderem von: Walter Reisch: Film schreiben, Wien 2004; Cocl & Seff. Die österreichischen Serienkomiker der Stummfilmzeit, Wien 2010, Autor unter anderem von Romy Schneider. Die Biographie, Berlin 2007; Die Welt ist Bühne. Karlheinz Böhm. Die Biographie, Berlin 2018.
Zur vorherigen / nachfolgenden Veranstaltung:
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