Vortrag: „Land, Land, endlich Land!” Österreich und die Arktis im 19. Jahrhundert
Vortragender: DDr. Martin Krenn LL.M. MA. (Naturhistorisches Museum Wien, Archiv für Wissenschaftsgeschichte)
Moderation: Dr. Christoph Sonnlechner, MAS
25. April 2024, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs sowie Online-Raum
Am 25. April 2024 beschäftigte sich DDr. Martin Krenn vom Archiv für Wissenschaftsgeschichte des Naturhistorischen Museums im Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs mit der Beteiligung des habsburgischen Österreichs an der Erforschung der Arktis.
Die Arktis scheint seit dem 16. Jahrhundert zumindest in Umrissen auf einigen Landkarten auf und erhielt im 17. Jahrhundert für den Walfang und im 19. Jahrhundert für die Suche nach einer Verkürzung der Schiffspassage zwischen Europa und Asien größere Bedeutung. DDr. Krenn bezeichnete das 19. Jahrhundert als das „arktische Jahrhundert“, weil damals beginnend mit einer englischen Expedition im Jahr 1845 unter Sir John Franklin das nördlich von Europa liegende, weitgehend unbekannte Gebiet erforscht wurde. Während die Franklin-Expedition scheiterte, gelang mehr als 20 Jahre später deutschen Expeditionen, die von August Petermann geplant wurden, ein entscheidender Vorstoß und eine beginnende Kartographie polarer Regionen.
Beginnend mit der Isbjörn-Vorexpedition 1871 beteiligte sich dann auch das habsburgische Österreich an verschiedenen Expeditionsfahrten in die Nordpolar-Region, von denen die Tegetthoff-Expedition (1872 bis 1874) sicherlich die wichtigste und heute noch bekannteste war. Sie wurde vor allem von Graf Hans Wilczek gefördert und von Julius von Payer und Carl Weyprecht, die schon mit Petermann zusammengearbeitet hatten, durchgeführt. Die 24 Teilnehmer starteten im Juli 1872 mit dem Forschungsschiff „Admiral Tegetthoff” im norwegischen Tromsö, wurden 1873 vom Eis eingeschlossen und mussten das Schiff nach einer langen Drift durch das Packeis aufgeben. Es gelang jedoch unter der Führung von Julius von Payer, das Inselarchipel des Franz-Josefs-Lands zu entdecken, das den Namen – ebenso wie einige Inseln mit österreichischen Bezeichnungen (zum Beispiel Wilczek-Land, Wiener-Neustadt-Insel) – bis heute erhalten hat. Im August 1874 erreichte die Mannschaft wieder offenes Meer und wurde durch Zufall von einem russischen Schiff entdeckt, womit die Heimfahrt möglich wurde.
Der Empfang in Wien im September 1874 war triumphal und wurde auch medial in ganz Europa gewürdigt. Payer publizierte 1876 unter anderem einen Expeditionsbericht und initiierte gemeinsam mit dem 1881 verstorbenen Weyprecht das erste internationale Polarjahr 1882, das zur weiteren Entdeckung der Polarregion und der NO Passage führte.
DDr. Krenn bedauerte abschließend, dass der Nachlass der Expedition auf mehrere Museen und Privatpersonen aufgeteilt wurde und in seiner Gesamtheit noch nicht professionell untersucht wurde.
Bericht und Fotos (1 und 2): Alfred Paleczny
Zur Person
DDr. Martin Krenn, Historiker und Archivar. Studien der Geschichtswissenschaft, Archivwissenschaft und Philosophie an den Universitäten Wien, Berlin (Humboldt-Universität) und Paris (Sorbonne). Seit 2020 Abteilungsdirektor Leiter des Archivs für Wissenschaftsgeschichte am Naturhistorisches Museums Wien. Forschungsschwerpunkte: Wissenschaftsgeschichte, Geschichte des burgenländisch-westungarischen Raumes ab der Frühen Neuzeit, burgenländische Zeitgeschichte. Letzte Publikationen: Geologen unter Wiens Straßennamen (Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 2021); „Böse“ neue Nachbarn? Auseinandersetzungen um den Stadthotter Eisenstadts in der Frühen Neuzeit (Pro Civitate Austriae 2022); Die frühen Jahre der burgenländischen NSDAP in der Stadt Neusiedl am See und der Freistadt Rust 1930 bis 1933 (Pro Civitate Austriae 2023)
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