Vortrag: Österreichisch-Brasilianische Wissenschaftsgeschichten im „langen” 19. Jahrhundert
Vortragender: DDr. Martin Krenn LL.M. MA. (Naturhistorisches Museum Wien, Archiv für Wissenschaftsgeschichte)
Moderation: a. o. Univ.-Prof. Dr. Martin Scheutz
12. Oktober 2023, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs sowie Online-Raum
Am 12. Oktober 2023 beschäftigte sich DDr. Martin Krenn vom Archiv für Wissenschaftsgeschichte des Naturhistorischen Museums im Vortragsraum des Wiener Stadt- und Landesarchivs mit der „Österreichisch-Brasilianischen Wissenschaftsgeschichten im ‚langen‘ 19. Jahrhundert“. Er hatte schon im April einige Mitglieder des Vereins für Geschichte der Stadt Wiens durch dieses Archiv geführt und berichtete diesmal über die brasilianischen Sammlungen, die durch einige österreichische Expeditionen zwischen 1817 und 1903 entstanden sind, die das reiche biologische und geologische Potenzial des Landes erkundeten. Dabei wurden nicht nur zahlreiche neue Pflanzen- und Tierarten entdeckt und dokumentiert. Auch für die kaiserlichen Sammlungen in Wien bedeuteten diese Reisen einen entscheidenden Zuwachs an naturkundlichen Objekten, die sich zum Gutteil heute noch im Naturhistorischen Museum Wien lokalisieren lassen. Zudem wird eine gemeinsame Datenbank mit Brasilien entwickelt, weil in Europa dank der Expeditionen mehr Informationen über die ältere Naturgeschichte vorliegen als im Land selbst.
Österreich und Brasilien weisen eine lange Tradition im Hinblick auf ihre wissenschaftlichen Beziehungen auf. Es begann mit der großen österreichischen Wissenschaftsexpedition, die anlässlich der Verheiratung der österreichischen Erzherzogin Leopoldine mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro aus dem Haus Braganza im Jahr 1817 ausgerüstet wurde und unter der Leitung von Franz Schreiber bis 1821 dauerte. Dabei wurden rund 100.000 Objekte in einem nicht immer völkerrechtlich fairen Rahmen nach Österreich gebracht. Auch der Präparator Johann Baptist Natterer nahm an dieser Expedition teil und blieb bis 1835 in Südamerika.
1846 verbrachte die mit privaten Mitteln forschende Ida Pfeiffer, deren Biografie soeben im Buchhandel erschienen ist, einige Zeit in Brasilien und zwischen 1857 und 1859 blieb die als Expeditionsschiff ausgerüstete Fregatte Novara im Rahmen der Weltumseglung vier Wochen in Rio de Janeiro. Diese Reise fand unter der Schirmherrschaft von Ferdinand Max, dem Bruder von Kaiser Franz Josef statt, der dann 1859 selbst nach Südamerika reiste und dort auch wissenschaftliche Aufgaben verfolgte.
Der Abschluss dieser Expeditionstätigkeit erfolgte durch zwei von der Akademie der Wissenschaften initiierten Reisen, die sich 1901 auf die Flora und 1903 unter der Leitung des dritten Intendanten des Naturhistorischen Museums Franz Steindachner auf die Tier-, vor allem Fischwelt konzentrierten.
DDr. Krenn rundete seinen Vortrag, der von a. o. Univ.-Prof. Dr. Martin Scheutz moderiert wurde, mit Zeichnungen von Pflanzen aus dem Archiv und Zitaten aus den damaligen Reisebeschreibungen ab, die meist wenig schmeichelhafte Aussagen über das Leben in Brasilien im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert enthalten.
Bericht und Fotos des Referenten: Alfred Paleczny
Zur Person
DDr. Martin Krenn, Historiker und Archivar. Studien der Geschichtswissenschaft, Archivwissenschaft und Philosophie an den Universitäten Wien, Berlin (Humboldt-Universität) und Paris (Sorbonne). Seit 2020 Abteilungsdirektor Leiter des Archivs für Wissenschaftsgeschichte am Naturhistorisches Museums Wien. Forschungsschwerpunkte: Wissenschaftsgeschichte, Geschichte des burgenländisch-westungarischen Raumes ab der Frühen Neuzeit, burgenländische Zeitgeschichte. Letzte Publikationen: Geologen unter Wiens Straßennamen (Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 2021); „Böse“ neue Nachbarn? Auseinandersetzungen um den Stadthotter Eisenstadts in der Frühen Neuzeit (Pro Civitate Austriae 2022)
Zur vorherigen / nachfolgenden Veranstaltung:
« Führung: Die Sternwarte der Universität Wien und der SternwarteparkVeranstaltung: Die Erste Wiener Hochquellenleitung – Von der Planung zur Mythisierung »