Vortrag: Ruprechtskirche und Kienmarkt – Neue Überlegungen zu den mittelalterlichen Anfängen Wiens
Veranstaltung zum Themenschwerpunkt "1221 - Erstes Wiener Stadtrecht" in Kooperation mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv
Vortragende: Dr. Markus Jeitler (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Mag. Doris Schön (DENKMALFORSCHER GESBR)
Moderation: Dr. Christoph Sonnlechner
4. November 2021, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs sowie Online-Raum
Bei der zweiten Veranstaltung zum Themenschwerpunkt „1221 – Erstes Wiener Stadtrecht“ beschäftigten sich Dr. Markus Jeitler und Mag. Doris Schön mit der Ruprechtskirche und dem Kienmarkt und nahmen dies zum Anlass, neue Überlegungen zu den mittelalterliche Anfängen Wiens und zur Berghoftheorie dazulegen.
Der Wissensstand um die frühmittelalterlichen Anfänge Wiens beruhte bis in jüngste Zeit zu großen Teilen auf den aus den 1960er und frühen 1970er Jahren stammenden Forschungen von Hertha Ladenbauer-Orel und ihren das Wiener Geschichtsbild noch immer prägenden Erkenntnissen. Ihre archäologischen Untersuchungen zum Thema „Berghof“ fanden unter damals unter widrigen Umständen statt, weil es für ihre Arbeit damals weder Verständnis der Stadt noch Zeit seitens der Baufirmen gab, die auf dem Areal rasch einen Neubau errichten wollten. Ladenbauers Arbeit basierte auf den Erkenntnissen von Adalbert Klaar und Karl Öttinger, auf den Stadtplänen Suttingers und letztlich auf den Angaben von Jans Enikel in seinem „Fürstenbuch“ aus den 1280er Jahren.
Im Rahmen eines von 2013 bis 2018 durchgeführten Forschungsprojektes wurden Ergebnisse einer modernen Grabung (1., Salvatorgasse 12) sowie der Auswertung der bislang auf Wiener Stadtgebiet aufgefundenen nachantiken Gräber gegenüberstellt.
Dr. Jeitler und Mag. Schön zeigten weiters, dass es keine schriftliche Quelle in der Wiener Stadtgeschichte gibt, die vor dem 12. Jahrhundert die Innenstadt behandelt. Außerdem bewiesen sie anhand von Bauforschungen, dass die ersten Bauteile der Ruprechtskirche in das zweite Viertel des 12. Jahrhunderts fallen und man keinen Vorgängerbau findet. Schließlich wurde der Kienmarkt auch erst im 12. Jahrhundert erstmals als typischer Straßenmarkt verwendet.
Somit muss der Schluss gezogen werden, dass die Angaben von Jans Enikel mehr Legende als Tatsachen sind, weil die Babenberger und die Mönche des Schottenklosters Wien damals ein besseres Image verleihen wollten. Auch die Angaben von Klaar, Öttinger und Ladenbauer müssen neu bewertet werden. Jedenfalls gibt es derzeit keine Anhaltspunkte für die durchgehende Besiedlung Wiens nach der Römerzeit und eine fast sichere Aussage, dass die Ruprechtskirche nicht aus der Karolingerzeit stammt.
Zur Person
Mag. Dr. Markus Jeitler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich „Geschichte der Habsburgermonarchie“ des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Forschungsprojekt „Der Wiener Hof um 1800“, FWF-P 33221). Zahlreiche Veröffentlichungen zu Themen aus der Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit sowie der Bauforschung.
Mag. Doris Schön, Selbständige Mittelalter- und Neuzeitarchäologin, seit 1996 Schwerpunkt auf dem Gebiet der Bauforschung. Mitarbeiterin des Mittelalterteams des Projektes zur „Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg“, das an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt ist. Autorin zahlreicher Publikationen und Mitarbeiterin bei mehreren fachspezifischen Ausstellungen.
Zur vorherigen / nachfolgenden Veranstaltung:
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