Wien 1814/15. Die Stadt und der Kongress
Senatsrätin Dr. Klaralinda Ma-Kircher (Archivbibliothek des Wiener Stadt- und Landesarchivs)
7. Mai 2015, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs
Frau Senatsrätin Dr. Klaralinda Ma-Kircher, Leiterin der Archivbibliothek des Wiener Stadt- und Landesarchivs, hat sich über viele Jahre große Verdienste um unseren Verein erworben, als Herausgeberin der Wiener Geschichtsblätter, stv. Generalsekretärin und Präsidentin (bis 2006). Am 7. Mai 2015 sprach sie über Wien 1814/15. Die Stadt und der Kongress
Als am 25. September 1814 der russische Zar, der preußische König und der österreichische König feierlich über die Jägerzeile in die Stadt zogen, waren die entscheidenden Vorbereitungen bereits erfolgt. Die Stadt und ihre Bewohner hatten optisch aufgerüstet – und die Preise für Lebensmittel und Unterkünfte waren enorm gestiegen. In einer Stadt von rund 233.000 Bewohnern kamen rund 100.000 Menschen, nicht alle als Delegierte. Viele sahen eine Möglichkeit, ihre Interessen zu vertreten, ihre Erfindungen zu präsentieren oder einfach zu Geld zu kommen, was in den Jahren wirtschaftlicher Krise verständlich war. So fanden etwa Kunstgegenstände aus der ganzen Welt einen Marktplatz.
Wien präsentierte sich als moderne Stadt. Zu den Sehenswürdigkeiten zählten nicht nur kulturelle Einrichtungen, auch Anstalten wie das Allgemeine Krankenhaus, das bürgerliche Zeughaus, das Spital der Barmherzigen Brüder, das Hauptmünzamt, die Taubstummen-, die Blinden- oder die Schutzpockenanstalt galten als vorbildhaft für ganz Europa. Sie wurden nicht nur von den Monarchen besucht, sondern auch von den Intellektuellen aus deren Gefolge. Das neu gegründete „Fabrikprodukten-Kabinett“ – Vorläufer des Technischen Museums – stellte zudem Produkte als allen Teilen der Monarchie vor, um „Absatz und Verkehr zu befördern, und die Industrie mehr und mehr anzueifern und zu beleben“. Wissenschaftliche Vorträge, physikalische Experimente, Besuchen in Fabriken oder „aerostatische Luftfahrten“ bewirkten bei der staunenden Menge Ehrfurcht vor den Möglichkeiten der Technik.
Nebenbei machte Wien seinem Ruf als Weltmusikstadt alle Ehre. Antonio Salieri war mit der Organisation der Konzerte bei Hof beauftragt. Der Star war allerdings Ludwig van Beethoven. Die Einnahmen seines Konzerts vom 25. Dezember 1814 spendete er übrigens dem Bürgerspital, das sich dadurch in der Lage sah, die Zuschüsse an die Armen um einen Kreuzer zu erhöhen. Dankbar beantragte die Bürgerspital-Kommission das taxfreie Bürgerrecht für das „Kunst-Genie“, dem stattgegeben wurde.
Zu den tragischen Ereignissen zählte der Brand des Gartentrakts des Palais Rasomovsky oder der Tod des Feldmarschalls Joseph de Ligne, dem das Bonmot zugeschrieben wird: „Der Kongress tanzt.“ Die Ausstellung zeigt aber, dass keineswegs nur getanzt wurde. Erfahrungen und Ideen wurden auf europäischer Ebene ausgetauscht. Wilhelm Grimm und Gleichgesinnte begründete im Gasthaus „Zum Strobelkopf“ die Wollzeilergesellschaft, die es sich zur Aufgabe machte, Volksmärchen und –sagen zu sammeln. Und der als preußischer Kurier in die Stadt gekommene „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn propagierte hier seine nationalistischen Ideen, die bis heute überkommenes politisches Selbstverständnis prägen.
Zur vorherigen / nachfolgenden Veranstaltung:
« “Hitlers zweiter Putsch” (Buchpräsentation)Die vier Alliierten in Wien 1945-1955 »